Interview Wertheimer Zeitung

Moderator der »kreativen Reibungen«

Parteivorsitzender: Oliver Hildenbrand führt mit 25 Jahren den zweitgrößten deutschen Grünen-Landesverband

Wertheim. Nein, der grüne Trolley soll nicht mit auf’s Foto, sagt Oliver Hildenbrand und lacht. »Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mal so einen Rollkoffer habe. Ich habe mich noch nicht so ganz mit dem Teil identifiziert.« Doch jetzt geht es nicht mehr ohne: Als neugewählter Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg ist er ständig auf Achse.

Zur Person: Oliver Hildenbrand

Oliver Hildenbrand stammt aus dem Freudenberger Stadtteil Wessental. Der 25-Jährige wurde in Wertheim geboren und legte 2007 sein Abitur am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium ab. Danach folgte ein Freiwilliges Soziales Jahr im Zentrum für Psychiatrie in Emmendingen sowie ein Psychologiestudium an den Universitäten Bamberg und Bonn. Hildenbrand reicht in Kürze seine Masterarbeit ein. Auf seiner Homepage bezeichnet er sich als »ledig, aber in festen Händen«. Hildenbrand ist seit Ende 2004 Mitglied der Grünen, war Mitbegründer der Grünen Jugend Wertheim und arbeitete bis 2008 im Ortsvorstand mit. 2006 war er jüngster Kandidat zur Landtagswahl im Wahlkreis-Main-Tauber. Von 2007 bis 2011 war Hildenbrand Landessprecher der Grünen Jugend Baden-Württemberg, seit Oktober 2011 ist er Mitglied im Landesvorstand. Am 10. November 2013 wurde Hildenbrand neben Thekla Walker zum Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg gewählt.
Hildenbrand ist Mitglied bei Amnesty International, Pro Asyl, dem Deutschen Lesben- und Schwulenverband, der Initiative Umweltschutz Maintal, dem Institut Solidarische Moderne und dem Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. (Matthias Schätte)

»Politik war für mich bisher immer ein Ehrenamt. Jetzt ist Politik sozusagen ein Beruf geworden«, sagt der 25-Jährige. »Das geht mit vielen Veränderungen einher, was Aufgaben, Termindichte und die Art der Termine angeht.«

Die Arbeit im Landesvorstand und als Landessprecher der Grünen Jugend helfen Hildenbrand beim Einstieg in die neue Aufgabe – er kann auf alte Kontakte setzen. Und doch: Die Aufgabe als einer von zwei Landesvorsitzenden – die zweite ist Thekla Walker – ist ein anderes Kaliber. Fraktionssitzungen, mehr Termine in den Kreis- und Ortsverbänden, eigene Mitarbeiter in der Landesgeschäftsstelle in Stuttgart – Hildenbrand ist auf der nächsthöheren Ebene angekommen. Er freut sich über die neue Herausforderung. Die Parteifreunde trauten ihm das Amt zu, auch wenn er mit 25 Jahren der jüngste Landesverbands-Vorsitzende der Grünen in Deutschland ist: »Ich bin mit 81 Prozent gewählt worden – das ist keine Selbstverständlichkeit. Gerade bei den Grünen nicht.«

Keine Angst vor großen Namen

Auch vor den »Platzhirschen« der Partei hat »Oli« Hildenbrand, der als Parteilinker gilt, keine Angst: Mit Cem özdemir, Winfried Kretschmann, Fritz Kuhn, Reinhard Bütikofer oder Boris Palmer tummeln sich viele Grüne im 8800 Mitglieder starken Landesverband, die auch bundesweit bekannt sind – und teils anderen Parteiflügeln angehören.

»Aber das sind alles Leute, mit denen ich schon seit vielen Jahren zu tun habe«, sagt Hildenbrand. Gerade im Nachklang der Bundestagswahl habe sich gezeugt, dass die Partei verschiedene Flügel habe. Es gebe gewisse »kreative Reibungen«, man verliere jedoch nie aus den Augen, dass alle derselben Partei angehörten.

Genau dafür zu sorgen, ist nun auch Aufgabe des Neu-Vorsitzenden Hildenbrand. Politisch aktiv ist der schon lange, Grünen-Mitglied seit mehr als neun Jahren. Das Engagement, sagt er, liege in der Familie: »Politik war bei uns immer Thema am Küchentisch.« Großvater Hildenbrand war langjähriger CDU-Stadtrat in Freudenberg, seine Eltern für die SPD aktiv, genau wie seine Schwester als Gemeinderatsmitglied. »Das war die Zeit, als ich mich auch für einen Weg in die Politik entschieden habe.«

Voller Einsatz für überzeugungen

Hildenbrand war Mitbegründer der Grünen Jugend in Wertheim und stand seitdem für seine überzeugungen ein, auch wenn es wehtun könnte: Im Juni 2007 protestierte er in Heiligendamm gegen den G-8-Gipfel – und setzte sich der Gefahr aus, die Abitur-Präsentationsprüfung zu verpassen.

Hildenbrand sei einer, der sich richtig Arbeit mache, der auf Ochsentour von Haustür zu Haustür gegangen sei – auch schon, bevor er 2006 als Landtagskandidat antrat, sagt Eberhard Feucht, Wertheimer Grünen-Urgestein und ehemaliger Lehrer Hildenbrands. Sein einstiger Schüler und jetziger Parteivorsitzender sei kein Karrierepolitiker, der außer Politik nichts gelernt habe.

Neben der Politik war zu Schulzeiten das Theater ein Faible Hildenbrands: »Dem konnte man nichts mehr beibringen«, sagt Volker Peters, ehemaligen Leiter der Theater-AG. »Der war auf allen Feldern beschlagen, hochtalentiert.« Deshalb freut sich auch SPD-Mann Peters über den Werdegang seines Ex-Schülers.

Doch welches der Talente kann Oliver Hildenbrand nun besonders für seine Rolle als Vorsitzender des zweitgrößten deutschen Grünen-Landesverbandes einsetzen? Das des Schauspielers, des Regisseurs oder des Moderators? »Moderieren muss man in der Partei sehr stark, beispielsweise zwischen den Flügeln«, sagt Hildenbrand. »Man ist genauso Regisseur, weil man beispielsweise entscheidet, wie die Kommunalwahlkampagne gestaltet wird.« Und auch die Schauspielerei hat ihm eine Fähigkeit gebracht, die er nicht missen will: »Ich glaube, dass es mir dadurch heute nicht schwer fällt, vor größeren Menschenmengen Reden zu halten.«

Ein Amt auf Zeit

Eines ist Hildenbrand, der als ein wichtiges Ziel angibt, auch junge Menschen wieder mehr für Politik zu begeistern, klar: Je höher man in der Politik aufsteigt, desto schneller kann man auch fallen – zum Beispiel bei schlechten Ergebnissen bei der nächsten Wahl. Für ihn kein Problem: »Mein Amt ist ein Amt auf Zeit.« Nach zwei Jahren muss er sich wieder zur Wahl stellen. »Deswegen finde ich es falsch, zu sagen: Ich muss in der Politik Karriere machen und sonst gar nichts. Denn dann verliert man ein Stück der Freiheit, Dinge zu sagen, die vielleicht nicht allen gefallen.« Matthias Schätte

© Wertheimer Zeitung, 29.11.2013