Haushaltsrede 2009 – Birgit Väth
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
gleich in meiner ersten Sitzung als neu eingezogene Stadträtin hier im Gemeinderat wurde ein Nachtragshaushalt verabschiedet. Leider konnten meine Kollegin und ich diesem damals weder zustimmen noch ihn ablehnen – ich gebe zu, mangels Verständnis. Mittlerweile kann ich nachvollziehen warum er nötig war. – Es ist schon so, wie neulich in einer Zeitung zu lesen war, dass man nicht automatisch zum Experten wird wenn man ein Mandat erhält.
Wir alle wissen, und haben es nun auch mehrfach gehört, dass auf den kommenden Haushalt und wahrscheinlich auch auf die folgenden, schwere Zeiten zukommen und sparen daher unumgänglich ist.
Der schon zu spürende sozial kalte Wind der schwarz-gelben Koalition in Berlin wird durch den eben erst verabschiedeten Bundeshaushalt noch zu einem Sturm anwachsen und viel Schaden, auch in den Kommunen, anrichten.
Während der Bund sich in einer nie da gewesenen Höhe verschuldet, erwartet er sowohl von den Ländern als auch von den Kommunen die Finanzlücken zu kompensieren. Abgesehen davon, dass die Wirtschaftskrise zu verminderten und unzuverlässigen Gewerbesteuereinnahmen geführt hat und noch führen wird, übertragen gleichzeitig sowohl der Bund, als auch in Kettenreaktion die Länder, nun immer mehr Aufgaben an die Kommunen ohne für den dafür erforderlichen Ausgleich zu sorgen.
Natürlich sind die Kommunen und damit auch wir, dazu gezwungen einen eisernen Sparkurs zu fahren.
Dennoch kann ich die Art und Weise in der die Kürzungen während der beiden Ausschusssitzungen für Finanzen, Kultur, Soziales und Sport in einem regelrechten Streichkonzert vorgenommen wurden, weder nachvollziehen noch gut heißen.
Sicherlich kann man, einmal davon abgesehen, dass die Stadtkämmerei in gewissenhafter Ausführung ihrer Aufgaben, die Schwierigkeit bereits gemeistert hatte, dem Gemeinderat einen bereits genehmigungsfähigen Haushalt zu präsentieren, weitere Einsparungen vornehmen. Und wenn man sein Augenmerk ausschließlich auf die Zahlen lenkt nur lobend erwähnen, dass es der Ausschuss zusammen mit der Stadtverwaltung auf eine Reduzierung der Kreditermächtigung um rund 1,5 Millionen gebracht hat.
Aber genau das sollte man meiner Meinung nicht tun.
Man sollte dabei vor allem nicht aus den Augen verlieren was man damit anrichtet, wenn man in den verschiedensten Bereichen von Kultur und Sozialem nach dem Rasenmäherprinzip Kürzungen vornimmt, ohne dabei zu bedenken welche Auswirkungen eine, wenn auch noch so moderate Kürzung, in den verschiedenen Bereichen auf die entsprechende Einrichtung hat.
Mehrfach hat selbst der Oberbürgermeister dazu ermahnt, vor den Kürzung eines Budgets, z.B. dem für die Jugendeinrichtungen um 10.000 €, zuerst zu überlegen, ob man damit eine Einrichtung nicht derart beschneidet, dass sie dann nicht mehr arbeitsfähig ist und somit gleichzeitig auch die Summen, die sie noch erhält, quasi zum Fenster raus geworfen sind. Prinzipiell sollte man wohl eher überlegen, ob eine Maßnahme oder Einrichtung noch ihren Sinn erfüllt. Ebenso hat – um bei diesem Beispiel zu bleiben – Frau Steffan, verantwortlich für den mir besonders wichtigen Fachbereich 3 (Kinder, Jugend, Sport, Bildung und Kultur) darauf hingewiesen, dass das Lob, welches die Stadt Wertheim dafür erhalten hat, familienfreundlich zu sein und die Jugend-Kriminalitätsrate weiter gesenkt zu haben, nicht ohne Anstrengungen und vor allem auch nicht ohne finanzielle Mittel verdient worden wäre.
Das Gleiche gilt im Bereich Kultur. Dem einen oder anderen Bürger und Stadtrat reicht es vielleicht, wenn den Wertheimern ein paar Kneipen zur Verfügung stehen. Und sicherlich ist es richtig, dass man auch den Bereich Kultur unter betriebswirtschaftlichen Aspekten betrachten kann, nur, wie sieht dann unsere Stadt aus?
Wollen wir eine Stadt, in der es keine qualitativ hohen Konzerte mehr gibt (sollen wir nur noch CDs hören?), oder wollen wird eine Bibliothek, die sich nur noch wenige oder keine Neuanschaffungen leisten kann, damit auch nicht aktuell ist und ein weiterer Nachteil für finanzschwache Familien entsteht?
Wollen wir Museen, die nur noch stundenweise geöffnet haben und damit an Attraktivität verlieren?
Oder wollen wir das Bildungsangebot der Volkshochschule reduzieren oder für manche unbezahlbar machen?
Unsere Kinder, denen wir eine kulturelle und humanistische Bildung zukommen lassen wollen, holen wir ohne entsprechende Angebote erst recht nicht weg von ihren PCs und sie werden dadurch auch nicht toleranter und weltoffener.
Die Stadt Wertheim wirbt dafür eine familienfreundliche Kommune sein zu wollen. Sie hat Bürgerinnen und Bürger in einer Familienwerkstatt zusammen mit den verschiedensten sozialen Einrichtungen an einem Zielkatalog mitarbeiten lassen, dessen vorrangiges Thema war, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen zu wollen, was natürlich ohne erweiterte Angebote in der Kinderbetreuung nicht möglich ist. Und um hilfebedürftige Familien besser unterstützen zu können wurde eine zentrale Anlaufstelle, sowie eine größere Transparenz der bereits bestehenden Hilfsangebote angestrebt. Nun war einigen Stadträten alleine der Kostenpunkt des dafür nötigen Faltblattes ein Dorn im Auge. Was werden wohl Karitas, Diakonie, Sozialarbeiter, Pädagogen und nicht zuletzt die an der Familienwerkstatt beteiligten Bürger denken, die ihr Engagement und ihren Zeitaufwand mit Ignoranz honoriert sehen?
Wollen wir eine Stadt sein, in die es sich nicht nur als Tourist zu kommen lohnt, sondern in der man sich auch als Bürger wohl fühlt? Oder wollen wir eine Stadt sein in der es keine nennenswerten Kulturangebote und mangelnde Solidarität mit den Schwachen unserer Gesellschaft gibt? Und bekanntlich ist ja eine Kette so stark wie ihr schwächstes Glied.
Nun denken sicherlich alle: „Ok. Gut. Wir wollen doch alle das Gleiche“, – was übrigens vor allem während der Wahlveranstaltungen zur Kommunalwahl aufgefallen ist – „nur, wo soll das Geld dafür herkommen, wo wir obendrein ja auch noch sparen müssen?“
Wir Grüne haben darauf eine relativ einfache Antwort: Auch wenn das Projekt Anbindung Eichler Steige nun schon über die Bühne ist und ohne einen weiteren Ausbau wenig Sinn macht, wäre das ein Posten gewesen, auf den wir gut hätten verzichten können, obwohl unser Vorgänger dieser Baumaßnahme damals zugestimmt hat. So bleibt mir nur, lobend zu erwähnen, dass auch im Bereich Straßen und Baumaßnahmen immerhin ganze 107 200 € eingespart wurden.
Lange Rede, kurzer Sinn. Ich schließe mich der Meinung und der Kernaussage der Haushaltsrede unseres Landrates Frank an, die ich kürzlich gelesen habe, in der er sagt, dass wir mehr Geld in die Menschen und weniger in Beton investieren sollten.
Obwohl in meinen Augen die Schwerpunkte des Haushaltsjahres 2010 falsch gesetzt sind, werden wir dennoch dem Haushalt zustimmen. Allerdings werden wir im laufenden Jahr ein wachsames Auge auf die weitere Entwicklung haben.
Und wenn ich noch etwas hinzufügen darf – auch wenn es manche nicht mehr hören können. Ein weiterer Posten auf den ich, und ich denke die meisten anderen Grünen auch, gut verzichten kann, der finanziell allerdings nicht besonders zu Buche schlägt, ist das Streusalz in flachen Tempo 30 Zonen. Denn Unfälle passieren auch ohne Glatteis und sind meist auf überhöhte Geschwindigkeit zurück zu führen.
Auch wir danken allen die am schönen Projekt „Stadt Wertheim“ mitgearbeitet haben.