Leserbrief: Bahnverkehr in der Fläche erhalten
Die massiven Streckenstreichungen, die von der Deutschen Bahn im Zuge der Kürzungen der Regionalisierungsmittel durch die CDU/SPD-Bundesregierung im Nahverkehr vorgenommen werden, haben auch für den Main-Tauber-Kreis herbe Einschnitte zur Folge: Ganze zwölf Zugverbindungen fallen bei der Tauberbahn, also der Strecke zwischen Crailsheim und Aschaffenburg, ab dem 10. Juni 2007 dem Schwarz-Rot-Stift zum Opfer.
Der hiesige CDU-Landtagsabgeordnete und Minister in der Landesregierung, Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, betreibt in dieser Angelegenheit Augenwischerei, anstatt als Vertreter unseres ländlichen Kreises und als Mitglied der schwarz-gelben Landesregierung den Erhalt des Bahnverkehrs entschieden und vehement einzufordern. In seiner Pressemitteilung zum Thema rühmt er sich damit, erreicht zu haben, dass die „Streichungen der Zugkilometer bei der Tauberbahn unter fünf Prozent liegen“ – gleichzeitig verschweigt er jedoch, dass ebendiese Streichungen bedeuten, dass am Wochenende alle Regionalbahn-Fahrten zwischen Lauda und Wertheim wegfallen. Das hat gerade für den Radtourismus im Kreis negative Auswirkungen.
Prof. Reinhart blendet auch völlig aus, dass die Streichungen auf der Strecke zwischen Würzburg und Stuttgart die Situation für die Menschen aus unserem Kreis verschärfen: Die spätestmögliche Heim-fahrt aus Stuttgart wird künftig bereits um 17:04 Uhr sein. Die Zusage der Landesregierung den Bahnverkehr auch für Bürgerinnen und Bürger, die abseits großer Bahnstrecken leben, attraktiv zu halten, ist damit wohl hinfällig. Denn nicht nur der Main-Tauber-Kreis ist vom Zusammenstreichen des Bahnverkehrs betroffen, sondern das Streichkonzert wird in ganz Baden-Württemberg vollzogen. Betroffen sind vor allem zahlreiche Früh-, Spät- und Feiertagsverbindungen in der Fläche. Das ist gerade auch im Hinblick auf die sich immer dramatischer abzeichnenden Folgen des Klimawandels ein fatales Zeichen: Die Bahn wird so als Alternative zum Auto sicher nicht attraktiver.
Natürlich können die von der Großen Koalition beschlossenen Kürzungen der Regionalisierungsmittel im Nahverkehr (übrigens vom hiesigen CDU-Bundestagsabgeordneten Kurt Segner mitzuverantworten) nicht ganz ohne Folge bleiben. Schließlich wird Baden-Württemberg künftig rund 190 Millionen Euro weniger Mittel vom Bund bekommen als bisher. Für unsinnige Prestigeprojekt in der Landes-hauptstadt ist aber offenbar dennoch weiterhin Geld vorhanden: Der Stuttgarter Hauptbahnhof soll im Zuge des Großprojekts „Stuttgart 21“ für ca. 2,8 Milliarden Euro vergraben werden. Das Land Baden-Württemberg beteiligt sich insgesamt mit rund 500 Millionen aus den Nahverkehrsmitteln. Die Lan-desregierung sieht für 2007 im baden-württembergischen Nahverkehr Kürzungen von 8 Mio. Euro und für 2008 von mehr als 20 Mio. Euro vor. Dies bedeutet die größte Angebotsstreichung in der ganzen Bundesrepublik. Gleichzeitig sind für „Stuttgart 21“ im Jahr 2007 jedoch Aufwendungen von 16 Mio. und im Jahr 2008 von 40 Mio. eingeplant.
Die Rechnung ist also ganz einfach, Herr Prof. Reinhart: Wenn Sie den Bahnverkehr in der Fläche tatsächlich erhalten wollen, dann stoppen Sie Stuttgart 21 und sorgen sie dafür, dass ländliche Kreise nicht endgültig aufs Abstellgleis geraten.
Oliver Hildenbrand
für den Kreisvorstand von
Bündnis 90/Die Grünen Main-Tauber