Rede im Gemeinderat zur Ablehnung des Bürgerbegehrens in Sachen Kaufland-Ansiedlung
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus!“ – Diesen Satz hat einmal ein berühmter Staatsmann gesagt und jeder von uns hat ihn in der Schule gelernt und damals wohl auch daran geglaubt.
Die Realität oder das Leben, lehrt uns aber leider etwas anderes. Denn wenn man sich die Gemeinderatsvorlage Ö-2 anschaut, sieht man, wie es wirklich läuft: „Ober sticht Unter!“ oder – wie auch eine Weisheit der Fahrradfahrer heißt – „Wer gut schmiert, der gut fährt.“
Als die Verwaltung damals gesagt hatte, das Bürgerbegehren müsse zur Überprüfung der Zulässigkeit an das Regierungspräsidium in Stuttgart geschickt werden, ging ich davon aus, dass man überprüfen werde, ob es sich hierbei um einen für die Stadt bedeutsamen Vorgang handle.
Aber ich wurde eines Besseren belehrt, denn die Verwaltung schickte gleich zwei anwaltliche Kurzgutachten mit an das Regierungspräsidium, um den eigenen Interessen Nachdruck zu verleihen. Und trotzdem kamen die Herren Helmschmidt und König aus dem Regierungspräsidium zu dem Ergebnis, dass das Bürgerbegehren „wohl zulässig“ sei und einem Bürgerentscheid damit nichts im Wege stehe.
Dieses erläuterten sie in einem Schreiben vom 01. Juni 2006, und wenn ich mich recht erinnere, haben Sie, Herr Oberbürgermeister Mikulicz, uns am 26. Juni 2006 in der Gemeinderatssitzung erklärt, dass noch kein Bescheid vom Regierungspräsidium vorläge.
Doch wie gesagt: „Ober sticht Unter!“ – Denn was die beiden anwaltlichen Kurzgutachten nicht geschafft hatten, das hat jetzt offenbar ein 19 Seiten langer Brief des Ersten Beigeordneten der Stadt Wertheim geschafft. So setzt sich neuerdings nämlich ein Herr namens Kreuzberger, der – so vermute ich – auch durch seine Parteimitgliedschaft zum Regierungsvizepräsident geworden ist, über die Stellungnahme seiner Mitarbeiter hinweg und schreibt: „Das Begehren muss im Ergebnis daran scheitern, dass seine Initiatoren einen durchführbaren Kostendeckungsvorschlag zur Kompensation der skizzierten folgen eines Ausfalls des Veräußerungserlöses schuldig geblieben sind.“
Hier frage ich mich, ob wir nicht besser die Bundeswehrsoldaten zur Wahrung der Grundrecht ins Regierungspräsidium nach Stuttgart, anstelle in den Kongo nach Afrika geschickt hätten.
Ich will die ganzen Widersprüche jetzt nicht noch mal aufzählen, denn das wurde heute schon zur Genüge getan, aber die Kernfrage des Bürgerbegehrens lautet: „Soll der Beschluss des Stadtrates der Stadt Wertheim vom 20.02.06 über den Verkauf des Grundstückes „Bahngelände“ an die Firma Kaufland zur Errichtung eines Verbrauchermarktes aufgehoben werden?“ – Und hierauf geht Herr Regierungsvizepräsident Kreuzberger überhaupt nicht ein.
Fakt ist, dass die benötigte Anzahl der Unterschriften erreicht wurde und deshalb gibt es keinen Grund, werte Kolleginnen und Kollegen, einem Bürgerentscheid nicht zu zustimmen.
Was haben Sie oder wir denn zu verlieren? Die Karten werden neu gemischt und wir alle hier haben am Ende das demokratischste Ergebnis in dieser Sache ohne jedes „G’schmäckle“.
All den Mitgliedern dieses Gremiums, die da sagen, dass die Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler keine Ahnung von der Materie hätten, diejenigen sollten dann auch mal unter diesem Gesichtspunkt Ihr eigenes Wahlergebnis hinterfragen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere nochmals an Sie: Verwehren Sie sich nicht gegen das Bürgerbegehren. Sagen Sie Ja zur Basisdemokratie und stellen Sie somit auch nicht die Mündigkeit der Bürgerrinnen und Bürger der Großen Kreisstadt Wertheim in Frage.
„Alle Staatgewalt geht vom Volke aus. Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk.“
Gesagt hat das übrigens kein geringerer als Abraham Lincoln.