Offener Brief zum Bürgerentscheid am 12. November 2006

Offener Brief zum Bürgerentscheid am 12. November 2006

An alle
Mitglieder und Freunde
der Wertheimer Grünen
und der Grünen Jugend Wertheim

Das Kraftwerk in Wertheim-Bestenheid verhindern:
JA beim Bürgerentscheid am 12. November 2006

Liebe Freundinnen und Freunde,

am 12. November 2006 erlebt die Stadt Wertheim den zweiten Bürgerentscheid in ihrer Geschichte. Nach dem – gerade aus GRÜNER Sicht – erfolgreichen Bürgerentscheid im Jahr 1990, mit dem der Anschluss an die Bodenseewasserversorgung verhindert wurde, ist die Wertheimer Bevölkerung jetzt aufgerufen, zu entscheiden, ob die Beschlüsse des Gemeinderats zur Ansiedlung eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks durch die Südweststrom Kraftwerk GmbH im Bestenheider Industriegebiet aufgehoben werden sollen, oder nicht.

Angesichts der Hürden in der „Mitbestimmungswüste“ Baden-Württemberg (Bayern und Hamburg haben deutlich bürgerfreundlichere Regelungen) ist allein die Tatsache, dass ein Bürgerentscheid durchgeführt wird eine Besonderheit und zeigt, dass es um eine wichtige Frage geht, die auch die Bevölkerung bewegt.

Die KraftwerksgegnerInnen der Interessengemeinschaft aus Hasloch und die Bürgerinitiative gegen das geplante Kraftwerk in Bestenheid (jetzt aktiv als Umweltschutz Maintal e.V.) haben mit über 3200 Unterschriften, die innerhalb der gesetzlichen 6-Wochen-Frist nach Bekanntgabe der Gemeinderatsbeschlüsse gesammelt wurden, den Weg für einen Bürgerentscheid frei gemacht und die Entscheidungsgewalt an die Wertheimer Bürgerinnen und Bürger weitergegeben. Dieses Vorhaben haben wir von Anfang an aktiv unterstützt, denn es gibt keine demokratischere und bürgernähere Lösung als diese, gerade wenn sich die Bevölkerung offenbar mehr Informationen wünscht, als die Mehrheit im Gemeinderat und der Oberbürgermeister bieten wollten.

Für Verwirrung könnten bei der/dem einen oder anderen von Euch die gebetsmühlenartig wiederholten Behauptungen der Wertheimer CDU und von Oberbürgermeister Mikulicz geführt haben, wonach Umweltverbände wie Greenpeace oder der Bund Naturschutz und auch die GRÜNEN für die Errichtung eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks eintreten würden. Dass es sich dabei lediglich um eine Halbwahrheit handelt, wird klar, wenn man sich die Fakten einmal anschaut. Es ist zwar richtig, dass es in unserer Partei BefürworterInnen von Gas- und Dampfturbinenkraftwerken im Allgemeinen gibt, schließlich ist Erdgas tatsächlich der kohlenstoffärmste der fossilen Energieträger, doch ebenso gibt es auch GegnerInnen, so beispielsweise Hans-Josef Fell, der energie- und technologiepolitische Sprecher der GRÜNEN Bundestagsfraktion. Allen gemein ist aber die Einschätzung, dass es auf den Einzelfall mit den entsprechenden spezifischen Bedingungen (Standort, Kraftwerksdaten, etc.) ankommt. Das alles verschweigen CDU und Oberbürgermeister Mikulicz und konstruieren ihre eigene, für sie brauchbare Wirklichkeit.

Wir als Wertheimer Ortsverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und als GRÜNE JUGEND Wertheim haben uns bereits frühzeitig klar positioniert: Wir wollen dieses Kraftwerk an diesem Standort nicht haben! – Das ist auch der Tenor unserer Presseberichte und Leserbriefe zu diesem Thema aus den vergangenen Wochen und Monaten. Es ist schade, dass die KraftwerksbefürworterInnen wider besseren Wissens gegenteilige Behauptungen aufstellen. Interessant und für uns alle erfreulich ist allerdings, dass man begriffen zu haben scheint, dass wir GRÜNEN in Umweltfragen eine Instanz sind, die gehört und
berücksichtigt werden muss.

Die Gründe, warum wir das geplante GuD-Kraftwerk am vorgesehenen Standort ablehnen, liegen auf der Hand:

– Erdgas ist eine endliche Ressource, deren Verknappung bereits heute abzusehen ist. Das geplante Kraftwerk, das nach Angaben der Investorin eine Leistung von 400 MW und einen Wirkungsgrad von 58,5 Prozent haben soll, würde mit ca. 70.000 m³ Erdgas pro Stunde befeuert werden. Die fehlende Abwärmenutzung führt dazu, dass pro Stunde ca. 29.000 m³ Erdgas ohne jeden Nutzen durch den Schornstein geblasen werden. So darf eine endliche Ressource nicht verschwendet werden!

Zum Vergleich: Das GuD in Würzburg (neben der Friedensbrücke) hat lediglich eine Leistung von 40 MW und mit der Abwärme des Kraftwerks wird die Innenstadt beheizt. Das ist sinnvoll und effizient.

– Erdgas ist als CO² -Emittent klimaschädlich und trägt zum Klimawandel bei. Betrachtet man die bereits bestehende Vorbelastung im Industriegebiet von Bestenheid in Verbindung mit den topographischen und klimatologischen Gegebenheiten im eng gewundenen Maintal, wird deutlich: Jede Tonne an zusätzlichen Emissionen ist dort zu viel und kann sich nur negativ auf die Gesundheit der Menschen und die Umwelt auswirken.

– Wertheim hat mit dem Grundsatzbeschluss zur Ansiedlung des GuD-Kraftwerks und dem Optionsvertrag mit der Südweststrom Kraftwerk GmbH das Heft aus der Hand gegeben. Alle weiteren Prüfungen im Genehmigungsverfahren laufen über Gutachten, die die Südweststrom Kraftwerk GmbH in Auftrag gibt, und das Regierungspräsidium Stuttgart. Die Stadt Wertheim hat jedes Mitspracherecht abgegeben.

Aus diesen und noch vielen weiteren guten Gründen, rufen wir Euch dazu auf, am 12. November 2006 mit JA abzustimmen. Damit stimmt Ihr für die Aufhebung der Gemeinderatsbeschlüsse und das Kraftwerk in Bestenheid wird verhindert.

Die gesetzliche Hürde von knapp 4.600 Wählerinnen und Wählern (25 % der Wahlberechtigten), die mindestens mit JA abstimmen müssen, um das Projekt zu verhindern, ist hoch, aber erreichbar.
Sprecht den Bürgerentscheid in Euren Familien, bei der Arbeit, in der Schule und bei Euren Freunden an und sorgt dafür, dass möglichst viele Leute zur Wahl gehen. Das ist auch für diejenigen von Euch eine gute Möglichkeit zur Verhinderung des Kraftwerks beizutragen, die vielleicht selbst nicht wahlberechtigt sind. Denn jede Person, die nicht zur Wahl geht, wählt das Kraftwerk und lässt die Möglichkeit ungenutzt verstreichen, sich bei einer kommunalpolitischen Entscheidung selbst und direkt einzubringen. Es besteht auch die Möglichkeit zur Briefwahl, solltet Ihr am eigentlichen Wahltag verhindert sein.

Unser besonderer Dank gilt dem Verein Umweltschutz Maintal, der mit großem Engagement und viel Durchsetzungsvermögen für den Bürgerentscheid gekämpft hat und weiterhin noch kämpft. Dem Brief legen wir auch dessen Flyer mit weiteren Informationen bei.

Für Rückfragen stehen wir Euch jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit grünen Grüßen

Birgit Väth
Vorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Richard Diehm
Stadtrat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wertheim

Oliver Hildenbrand
Sprecher GRÜNE JUGEND Wertheim