Rede zum Haushaltsentwurf für das Jahr 2006
Herr Vorsitzender des Gemeinderates,
Kolleginnen und Kollegen,
so wie man über den Geschmack streiten kann, so lässt sich natürlich auch über den Verwaltungs- und Vermögenshaushalt streiten.
Den Verwaltungshaushalt richtig lesen und verstehen kann man vermutlich nur, wenn man diesen selbst geschrieben hat. Im Bereich der Schulen ist mir aber aufgefallen, dass von den 420.000 € Zuweisungen vom Land gerade mal 226.000 € über den Verwaltungshaushalt und 35.900 € über den Vermögenshaushalt den Schulen zufließen. Das sind knappe 2/3 der Zuweisungen und Zuschüsse vom Land.
Hier, so denke ich, Herr Vorsitzender, ist mit Sicherheit eine noch effektivere Steuerung oder effizientere Verwaltung gefordert, damit das Wort Lernmittelfreiheit nicht nur ein Wunschbild bleibt.
Dass wir die Schulsozial- und Jugendarbeit nicht vernachlässigen dürfen, wurde meinem Kollegen Kozyra und mir als einzige Vertreter des Gremiums in der Sitzung des Arbeitskreises Drogen und Gewaltprävention am 03.11.05 einmal mehr vor Augen geführt. Aber für manche ist es scheinbar interessanter und lukrativer, sich mit den Ergebnissen und Produkten von fehlender Jugendarbeit auseinander zu setzen.
Von vielen Politikern wird immer wieder gefordert, dass sich die Menschen nicht nur auf den Staat verlassen sollten. Und was machen wir? – Anstatt das Heft selber in die Hand zu nehmen und mehr in die Jugend und Sozialarbeit zu investieren, schieben wir das Problem auf den Landkreis oder das Land als die hierfür Verantwortlichen ab.
Bildungswesen, alle reden davon, aber keiner tut etwas dafür. Viel zu häufig fallen an unseren Schulen Unterrichtsstunden aus, weil nicht genügend Vertretungslehrer da sind. Wenn wir schon keine Lehrer einstellen wollen oder können, so lassen Sie uns doch in Zusammenarbeit mit der VHS Lehrkäfte vorhalten. Das wäre allemal besser, als 1,7 Mio. € für denn Umbau der alten Eisenbahnbrücke mit der Anbindung an den Knackenberg auszugeben. Wie viele Gewaltpräventionsmaßnahmen könnte man vorsehen und wie viele Ausfälle von Schulunterrichtsstunden ließen sich für diese Summe vermindern?
Meine Zustimmung findet dieses Projekt auf jeden Fall nicht, dafür aber die Zuschüsse an das Krankenhaus, Kindergärten und die Vereine. Selbiges gilt auch für die Investitionen im Feuerwehrwesen.
Nicht zu übersehen ist der Zuschuss an die FVG, der in diesem Jahr um 18.000 € höher ausfällt als 2005. Ein Schelm ist der, der dabei unterstellt, dass der Beratervertrag mit dem ehemaligen Kurdirektor von Bad Mergentheim schon länger ausgemachte Sache war. Aber wir wissen es ja, die CDU lässt die Ihren nicht im Stich.
In der Erläuterung zum Haushalt wird auf eine mögliche Hebesatz-Senkung der Kreisumlage von 38,5 auf 38 % hingewiesen. Hier liegt meines Erachtens eine totale Fehleinschätzung vor. Denn, wer am 12. November die Zeitung aufmerksam gelesen hat, dem ist das Dilemma um den ÖPNV nicht verborgen geblieben. Aber auch, dass dadurch eher mit einer Erhöhung als mit einer Senkung der Kreisumlage zu rechnen ist. Bleibt mir nur noch anzumerken Herr Vorsitzender, dass, das wenn wirklich alle Schüler den ÖPNV benutzen würden, dass dann das Defizit des ÖPNV sicherlich etwas geringer wäre.
Apropos Verkehrsbelastung. In Wertheim stößt man beim Thema Kreisverkehr, Verkehrsberuhigung und Verkehrsüberwachung auf taube Ohren. Wie sonst kann die Verwaltung den Ruf der Stadtteilbeiräte nach den berühmten “Starenkästen“ weiterhin so hartnäckig ignorieren. Dass diese in ihrer Wirkung sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Verkehrsberuhigender Sicht nicht zu unterschätzen sind, wird man Ihnen nicht nur von Bad Mergentheimer Seite gerne bestätigen. Bedauerlich ist auch, dass die Bekämpfung der durch den Verkehr immer größer werdende Feinstaubbelastung im Haushalt der Stadt ebenfalls keine Berücksichtigung findet.
Eine weitere Einnahmequelle in finanzieller Hinsicht bietet sich uns durch das “Erneuerbare Energien Gesetz“ an. Wenn die Verwaltung schon nicht selbst in Photovoltaik-Anlagen investieren will, so sollte man doch wenigsten die Einnahmen aus der Vermietung von den vielen Dachflächen an mögliche Investoren wahrnehmen.
Die immer schneller zunehmende Erwärmung der Erde und die steigenden Energiepreise waren in den zurückliegenden Monaten die dominierenden Schlagzeilen in den Medien. Wenn man daraus hätte schlussfolgern wollen, dass sich dieses in irgendeiner Art und Weise im Haushalt der Stadt Wertheim widerspiegelt, sieht man sich nun eines Besseren belehrt. Dabei liegen meines Wissens genügend energetische Bestandsaufnahmen über die Liegenschaften der Stadt in den Schubladen der Verwaltung. Mit dem Ergebnis, dass bei Wärmeschutz und Energieeinsparungsmaßnahmen nur gekleckert anstelle geklotzt wird. Dass der Verbrauch von Benzin und Dieselkraftstoff in Ihren Überlegungen keine Rolle spielt, rundet das ganze Bild nunmehr ab.
Erfreulich ist immerhin, dass wenigstens 20.000 € für das Hofreitenprogramm im Vermögenshaushalt zu finden sind, obwohl dieses Geld hinten und vorne nicht ausreicht.
Hier sollte die Verwaltung auch einmal den Mut haben und im laufenden Haushaltsjahr die Genehmigung überplanmäßiger Haushaltsmittel einfordern. 13 Fußballfelder pro Tag Flächenverbrauch in Baden-Württemberg.
Diese Schlagzeile war am 16.11.05 in der Presse zu lesen. Selbst Ihre CDU Parteikollegin und Umweltministerin Frau Gönner in Stuttgart hat mittlerweile kapiert, dass wir so nicht weitermachen können und fordert eine nachhaltige Siedlungspolitik. Bevor wir über eine Erweiterung des Gewerbegebietes Almosenberg nachdenken, sollte sich die Verwaltung eher auf die Vermarktung der Leerstände in Bestenheid und den Flächen auf dem Reinhardshof konzentrieren.
Ein weiterer großer Posten auf der Ausgabenseite sind die anstehenden Heimattage. Damit verbunden ist auch wieder die Herausgabe unendlich vieler Prospekte auf Hochglanzpapier. Was hindert uns denn eigentlich daran hier einmal ein Zeichen zu setzen und erstens weniger Prospekte zu drucken, die ja ohnehin größtenteils in den Mülleimer wandern und zweitens Recyclingpapier zu verwenden. Nur als kleinen Hinweis: Deutschland alleine kauft 18% des in Finnland hergestellten Papiers und trägt so maßgeblich zur Zerstörung der finnischen Urwälder bei. 1976 hatten wir in Deutschland einen Papierverbrauch von 126 kg /Person. 2004 hatte sich der Papierverbrauch nahezu verdoppelt und betrug 236 kg/Person. Und dies alles trotz oder gerade wegen des glorreichen Einzuges der EDV in den Verwaltungen und Büros. Positiv sei hier anzumerken, dass wir für das Jahr 2006 immerhin 10.000 € weniger an das Rechenzentrum bezahlen müssen.
Resümierend darf ich festhalten, dass trotz enorm gestiegener Energiepreise und einem sich immer schneller und extremer veränderten Klimas der Schutz der Umwelt auch im Haushaltsjahr 2006 viel zu wenig berücksichtigt wird.
Ich halte fest, dass ich nicht erkennen kann, dass wir mit diesem Haushalt auch nur annähernd versuchen, die Probleme im Jugend bzw. Bildungsbereich aktiv zu lösen. Hier ist Stillstand zu erkennen und Stillstand bedeutet Rückschritt.
Last but not least, Herr Oberbürgermeister Miculicz: Ganz so schlimm, wie der Haushalt der neuen Bundesregierung, bei dem die Verschuldung nach meinen Informationen doppelt so hoch ist wie die der Investitionen, ganz so schlimm ist unser Haushaltentwurf nun nicht. Schaue ich mir aber die Übersicht über die Entwicklung der Schulden des städtischen Haushaltes an, dann beschleicht mich schon ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Ein voraussichtlicher Schuldenstand von 9,4 Millionen € Ende 2006 und somit auch der Haushaltsentwurf findet meine Zustimmung nicht.
Richard Diehm
Bündnis 90/Die Grünen