Bündis 90/Die Grünen: Ortsverband Wertheim feierte
Sie sind eben etwas anders als die anderen
Wertheim. Keine Reden, keine Grußbotschaften, keine Ehrungen, stattdessen kabarettistische Reminiszenzen an die Vergangenheit. Auch zum Jubiläum gaben sich Wertheims Grüne am Freitagabend ein wenig anders als die anderen.
Diskussion über die Grünen-Gründung, wie sie sich die Wertheimer Grünen vorstellten: Am Frühstückstisch von Oberbürger- meister Cäser (Eberhard Feucht, links) und seiner Frau Brigitte (Richard Diehm)
Zum Lachen gingen sie in den Keller und feierten dort, in den Räumen des Kunstvereins Convenar-tis, ihren 25. Geburtstag. Politik spielte bei dieser Veranstaltung höchstens am Rande eine Rolle, auf Plakaten, mit denen die Wände geschmückt waren.
Zwar nicht zur Ehrung, die gab es bei den Grünen noch nie, aber fürs Familienalbum stellten sich die Gründungsmitglieder des Ortsverbandes Wertheim zum Erinnerungsfoto auf: Jutta Weimer, Dieter Kuhnmünch, Hugo Londer, Ellen Linder, Eberhard Feucht und Friedl Freibüchler (von links) zusammen mit der, gemeinsam mit Feucht, amtierenden Vorsitzenden Birgit Väth (Dritte von links).
Eigentlich, sagte Birgit Väth, eine der beiden aktuellen Vorsitzenden des Ortsverbandes, zur Begrü-ßung, habe man ja schon im Juli den Geburtstag begehen wollen. Die Feierlaune sei damals jedoch „durch die Turbulenzen nach der Kommunalwahl etwas verdorben gewesen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben“. Und so feierte man eben jetzt nach.
Mag er in der Zwischenzeit auch fern der Heimat, in der Dominikanischen Republik, weilen, seine „Finger im Spiel“ hatte Wertheims Ur-Grüner Jürgen Walter dennoch. Von ihm stammte der Origi-naltext, der anschließend auf die Bühne gebracht wurde. Der Distanz Walters, sowohl räumlich als auch zeitlich, mag es mit geschuldet gewesen sein, dass man sich vor allem an Begebenheiten und Anekdoten aus den ersten Jahren erinnerte. Die Gegenwart blieb fast vollständig ausgeblendet in dem Stück, auch wenn Hans Müller-Rodenbach Walters Texte „ein bisschen bearbeitet, gestrichen und ergänzt“ hatte, wie Birgit Väth verriet. Mit auf der Bühne stehen, wie ursprünglich beabsichtigt, konnte „Jack“ dann allerdings nicht. Er war kurzfristig erkrankt.
Mit Birgit Väth und Iwona Mayr-Danisz spielten die beiden aktuellen Stadträtinnen, mit Eberhard Feucht und Richard Diehm die zwei Kreistagsmitglieder. Dazu kamen Kerstin Ulrich und Hugo Linder. Als „Nummerngirls“ kündigten zwei Mitglieder der Grünen Jugend die einzelnen Szenen an.
Mag die Gründung des Ortsverbandes der Partei, die sich inzwischen ja Bündnis 90/Die Grünen nennt, auch 25 Jahre zurück liegen, eines änderte sich seither nicht: Das akademische Viertel.
Das heißt, eigene Veranstaltungen beginnen – nicht immer, aber doch meistens – bis zu einer Viertel-stunde später als angekündigt. Da machte der Jubiläumsabend keine Ausnahme.
Das, und manch andere Marotte der Grünen, wurde in den folgenden knapp 50 Minuten auf die Schippe genommen.
Das Lachen, als in einer Szene die Vorsitzende alleine mit einem Pressevertreter „im Lokal“ saß und erst so nach und nach die Mitglieder locker zur Jahreshauptversammlung eintrudelten, signalisierte: Ja, so war es und so ist es eigentlich immer noch.
Ein wenig in Vergessenheit geraten scheint hingegen die Frage, die sich jede(r), die oder der sich anfangs als Grüne(r) zu erkennen gab, anhören musste. Jedenfalls dauerte es ein bisschen, bis das Publikum darauf kam: „Seid ihr mit dem Auto da?“ Wer diese Frage als „Grüner“ mit „Ja“ beant-wortete, war bei „den anderen“ als ernstzunehmender Gesprächspartner erst einmal „unten durch“.
Wie die Grünen ganz am Anfang im Gemeinderat „Weihnachtsgeschenke“ verteilten, wie sich ein ursprünglich auf ihrer Liste Gewählter weigerte, die Verpflichtungsformel nachzusprechen, weil er eigentlich nicht in das Gremium einrücken wollte, die Aufregung, als am Infostand Kondome ver-teilt wurden, oder noch mehr, als man, es ging nicht zuletzt um das Thema Trinkwasserversorgung, in Dertingen mit Einheimischen „aneinander geriet“.
An all das erinnerte man sich gerne und vielleicht auch ein wenig verklärend.
Von „Cäser“ bis zum „Reflitzer“
Natürlich nahm die Truppe aber nicht nur sich selbst „aufs Korn“. Namentlich ein wenig verändert, aber dennoch nicht nur für die Eingeweihten gut zu erkennen, spielten da zum Beispiel ein Alt-Oberbürgermeister „Scheunemann“ und das über weite Strecken der Wertheimer grünen Geschichte amtierende Stadtoberhaupt „Cäser“ eine Rolle. Oder der Stadtrat „Reflitzer“, der sich über den selbstgestrickten Pullover, die langen Haare und den Zottelbart beim neuen alternativen Kollegen echauffierte. Und selbstverständlich der Stadtrat „Kikeriki“, der so plötzlich auf der anderen Seite des Ratstisches Platz genommen hatte.
Im „Erinnerungsangebot“ standen, nach dem Kabarett, auch noch alte Bilder, die Eberhard Feucht ausgegraben hatte. Und eine Rede von Joschka Fischer, die der um 1983 gehalten hatte, als es in Wertheim noch gar keine Grünen gab.
Vor allem aber labten sich die Geburtstagsgäste an Getränken und am, selbstredend den Grundsät-zen der Partei entsprechenden Büffet, das der Kreisverband spendiert hatte. Und dann stellten sich doch noch die anwesenden „Ur-Grünen“ zusammen mit Birgit Väth zum Erinnerungsfoto. Wenn schon nicht für eine Ehrung, so doch wenigstens fürs Familienalbum. Das man sich dann beim näch-sten Jubiläum anschauen kann. ek
© Fränkische Nachrichten – 09. November 2009